tropenlandschaft-schmal.jpg
 

"Wunderl", Marta Press, Hamburg 2014
Die Prosa spürt Ahnenkult, Knochenanbetung und Wundergläubigkeit in Österreich nach und kreist um Variationen von ‚Leopold’.

In dem Projekt werden Aspekte des Sesshaften und des Nichtsesshaften einerseits, sowie der Auslöschung und Ignoranz gegenüber Verfolgung andererseits umkreist. Es geht um das Individuum und Gesellschaftsprozesse im Privaten, wie im Öffentlichen, aber auch um Hoffnungspotentiale, Rettungsmanöver und Wunder, sowie deren Konservierung und um Pseudowunder.

Ausgangsfigur ist der Babenberger Leopold III., dessen Wundertätigkeit so überzeugte, dass er trotz mehrerer Ehen und zahlreicher gezeugter Kinder heilig gesprochen wurde und zum Schutzpatron Österreichs aufstieg. Sein Schädeldeckenknochen liegt unter juwelengeschmücktem Samt im Stift Klosterneuburg, wo die Reliquie am ‚Leopolditag’ vor die Politiker Niederösterreichs und die Gläubigen getragen wird, die den ,Leopoldisegen' empfangen.

Wunder und Politik sind eng verquickt. Leopolds Mutter Itha endet in einer der Überlieferungen mit einem der Kreuzzüge in Aleppo, wird vom Stadthalter gefangen und gebiert mit über fünfzig den späteren Jihad-Anführer Zengi. Als Mutter eines katholischen Heiligen und eines moslemischen Kämpfers fungiert sie als Brücke zwischen Christentum und Islam. Modulationen von ,Leopold' finden sich in einem Berg, in Straßennamen, im früheren jüdischen Bezirk Wiens, der Leopoldstadt und in den Rändern des ehemaligen Österreichs.