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"Ein bewegender Rettungsversuch, eine innige Verbindung.Wie die vor ihm, soll der brave Bub schlachten und schießen. Tiere zu töten, triggert aber ein Trauma: er wäre als Baby fast verdurstet. Er kann dem Vater nie entsprechen. Alkohol und Haschisch lassen Senso fliegen, verleihen ihm Mut. Alle Regeln schiebt er zur Seite. Er steuert die Familie. Nach dem Rausch kommt Angst. Im Wahn springt er. Schizophrenie. Zersplitterte Knochen. Nie wird man ihn je wieder zwingen können. Er malt. Säuft und kifft weiter. Viele schauen zu und warten, dass er stirbt. Als der Mangomann ins Leben der Schwester tritt, packen sie Senso am Schopf und ziehen mit äußerster Kraftanstrengung. Wird die Rettung gelingen? Sind Alkoholismus und Schizophrenie heilbar? Werden sie ein Wunder bewirken? Erinnern, Vergessen, Beschwören. Zauberformeln. Eine Gratwanderung. Anrufen und verfluchen, Herbeiwünschen und Verstoßen. Archaisch. Etwas Geheimnisvolles, Mächtiges, Mysteriöses. Ein Vibrieren. Gibt es Hoffnung?"

Wer nicht träumt, versäumt nichts.
Doch wer träumt, hat zwei Leben:
eines am Tag und eines in der Nacht.
Die Welt ist ein riesiger Teller. Ich
liege bäuchlings an seinem Rand
und greife in die Unendlichkeit.
Was ich zwischen die Finger kriege,
werfe ich in die Mitte. Ich bin
Überbringerin und Randreiterin.
Manchmal habe ich Angst, vom
Tellerrand zu fallen.
Dies ist das Motto der vorliegenden
Sammlung.
Gerda Sengstbratl

Textauszug:
Im Traum
Es ist weit und still. Weißer Sand und heller Staub, elfenbeinfarbene Hörner von Rindern vor einer milchweißen Lehmwand mit einem kreideweiß verstaubten Mann in einem rahmfarbigen Kapuzenkleid. Alle Hörner, alle Tiere, alle Umrisse voneinander abgehoben, nur durch Schatten und Licht. Die staubweiße Hand des Mannes liegt auf dem Horn des vordersten Tieres. Der Mann, das bin ich. Ich bin der Leithammel der Geschichte und alles und alle folgen dem Leittier.
Auf der Fahrt zum Flughafen ist es schon dunkel. Wir fahren durch Absperrungen vor dem Flughafen. Wir kennen keine andere Zufahrt zur Abflughalle. Kiku ist ein kluger Chauffeur. Männer zielen mit Maschinengewehren auf uns. Wir sind auf dem Gelände des Militärflughafens gelandet. Andere Bewaffnete laufen auf uns zu. Schreien. Richten auch die Waffen auf uns. Erklärungen, Beteuerungen, Entschuldigungen. Alles plausibel. Sie beruhigen sich. Wir auch. „Wenn das so weitergeht, werden sich die Abflüge irgendwo in der Dunkelheit verstecken und man muss dann jeden einzelnen suchen und aufstöbern“, sagt Kiku. Einparken, Autotürenschlagen, Kofferraumtür öffnen, ausladen und Abschiedsumarmungen.
In Wien-Schwechat mit Rollkoffern, Anoraks, Handschuhen und Wollschals um die Köpfe gewickelt, umarmen wir einander zur Verabschiedung. Lilli nimmt den Zug nach Hause, ich die Schnellbahn.

Anläufe Anreisen. Life is a Story - story.one
Gerda Sengstbratl
Orientalische Reisen: Im Souk von Marrakesch Nana-Minztee schlürfen. In Granada ein altes maurisches Haus bewohnen. Orientalisch tanzen in Luxor. Überall erhellt die Sonne die Erde, nur in Usbekistan erhellt die Erde die Sonne, so prächtig sind die Bauten. Der Jemen als Schock. Frauen hinter der Burqa tragen in der Wüste Handschuhe und Socken.

Anläufe Anreisen.
Life is a Story - story.one
Gerda Sengstbratl
Die Luft in Nepal ist dünn. Es geht bergauf und bergab. Die Gebirge sind weiblich und in der Nacht neigen sie ihre Spitzen hinunter zu den Träumenden. In der Mongolei wächst Blau aus dem Himmel. In den Häusern aus Wolle gibt es jeden Tag Jägerfleisch. Robuste Minibusse wie kleine Elefanten durchqueren endlose baumlose Landschaften auf Pisten.

"Wunderl", Marta Press, Hamburg 2014
Die Prosa spürt Ahnenkult, Knochenanbetung und Wundergläubigkeit in Österreich nach und kreist um Variationen von ‚Leopold’.
In dem Projekt werden Aspekte des Sesshaften und des Nichtsesshaften einerseits, sowie der Auslöschung und Ignoranz gegenüber Verfolgung andererseits umkreist. Es geht um das Individuum und Gesellschaftsprozesse im Privaten, wie im Öffentlichen, aber auch um Hoffnungspotentiale, Rettungsmanöver und Wunder, sowie deren Konservierung und um Pseudowunder.

"In ihrem neuen Buch greift Gerda Sengstbratl eine Familiengeschichte auf, insbesondere aber jene von „Oma Thekla“ - jene „Ahnin“, über die in der Familie nie ein Wort verloren wurde! Thekla starb vor langer Zeit an einer Frauenkrankheit. Die Ich-Erzählerin nähert sich der Verstorbenen in formal unterschiedlichen Anläufen: Sie erzählt aus deren Leben im Dorf, von deren Alltag, der Liebe, den Kindern. Die Autorin zeigt Bilder, auf denen Thekla abgebildet ist, entwirft Settings voll Gestik, Mimik, Farbe und Plastizität. Im Prolog wird der Name Thekla anhand verschiedener auch etymologischer Wurzeln abgehandelt. Der Epilog wiederum subsummiert die „Geschichte der Gewalt“ und „Kälte“ – doch: 'Am Ende bleibt ohnehin nichts.'
Ein rühriges und berührendes Buch!"
Petra Ganglbauer
http://ganglbauer.mur.at

Anläufe Anreisen.
Life is a Story - story.one
Gerda Sengstbratl
Ein Regenzimmer für Kinder in der Wüste. Damit sie wissen, wie Regen klingt. In den Backwaters auf einem Reisstrohboot übernachten. In einer Bibliothek von einem Palmblatt das eigene Leben vorgelesen bekommen. Ayurvedakur in den Teebergen Keralas mit einem Kardinal. Ein Elefant legt seinen Rüssel zum Segen auf den Kopf der Erzählerin. Ein berühmter Akupunkturmeister und das Ende vom Rauchen.

Von Neugeborenen tropft es. Sie sind noch nass von der Ewigkeit. Auch Lene trug diese Spuren. Allerdings wurde sie in eine Fleischersippe geboren, wo die Menschen im Inneren Gefrierfächer tragen. Deshalb sah kein Mensch das Nass am frischen Kind.

Die Autorin arbeitet seit Jahren konsequent und kontinuierlich an programmatisch ausgerichteten literarischen Projekten: Sie verknüpft stets das Spirituelle mit dem Politischen, ihre Arbeit schillert nachhaltig - gerade weil die unter der jeweiligen inhaltlichen Oberfläche liegende Spur so absichtsvoll ist. Was Sengstbratl macht, ist politische Arbeit im literarischen Kontext. Und sie tut es auf erfrischend kurzweilige Art.