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Ich liebe Gestaltung und Gestaltetes.

Ich habe keine Ambitionen in den Bereichen jenseits des Schreibens. Oft ergeben sich Werke. Sie entstehen einfach. Ungeplant. Eines fügt sich zum andern. Im Flow sein. Selbstvergessen. Musik. Räucherungen. Blumen. In einer gestalteten Umgebung. Schreiben am allerliebsten in den Hotellobbys sündteurer Hotels.
Bei der Caritas hängt ein Abendkleid in Mauve und Altrosa auf einem Ständer. Aus dicker Seide und Chiffon. Mit Fischgrätmieder. Alles mit der Hand genäht. Ich kaufe es. Als Schreibimpuls für Schreibende. Ich male eine Paradies-Tapete über ein Riesengemälde meines Bruders. Freundinnen und Freunde posieren mit dem Abendkleid vor ihrem Körper mit dem Gemälde als Hintergrund. Ich fotografiere alle. Sie sind begeistert. Ich grundiere einen alten Sessel weiß. Schreibe mit dicker, schwarzer Schrift einen Satz auf Lehne, Sitzfläche, Beine. Das Abendkleid bleibt von selbst auf einem zweiten Sessel sitzen. Ich stecke das gemalte Porträt DIE GELANGWEILTE von Sung Min Kim in den Ausschnitt. Ich stelle die zwei Sessel in die Auslage. Im Hintergrund das Paradiesgemälde. Sprechen mit dem Dorf.

Ich denke darüber nach, wie falsch Erinnerungen sein können. Als Kind bekam ich einmal zu Weihnachten ein Puppenwohnzimmer geschenkt. In der Erinnerung ist es nur mit einer winzigen Knipslampe ausgestattet. Das war sicher nicht so. Die Knipslampe führt zu Miniaturen: Ich bestelle ein Puppenappartement zum Zusammenbauen. Es ist so winzig, dass ich mir beim Kleben und Schneiden eine Sehnenscheidenentzündung zuziehe, die monatelang nicht weggeht. Die Puppenwohnung kommt in die Kinderauslage. Miniaturessen kommt ein Jahr später dazu. Ein Dreijähriger im Dorf zieht seinen Opa täglich zur Auslage mit: „Gehen wir zur kleinen Küche!“ Sprechen mit den Kindern des Dorfes. Ich beobachte sie, wenn sie vor der Kinderauslage stehenbleiben. Lächeln. Bei jedem Vorübergehen wieder so, als wäre es das erste Mal.

Leonie mit Freundin Nadine, beide neun Jahre alt, sitzen in der Galerie und malen. Ich auch. Es ist still. Sie rufen mich, wenn sie mehr Farbe brauchen, die ich ihnen auf Glas aus den Behältern herausdrücke. Wir sind alle drei versunken. Im Gasthaus bezahle ich das Mittagessen für uns alle mit meinem Sonnenblumengemälde.

In „Dinge, die das Herz höher schlagen lassen“ erzählt die Erzählerin auf der ersten Seite, dass ihr in der Arbeit so langweilig ist und dass ihr eine Freundin vorschlägt, eine Traumtafel zu machen. Meine Freundin und ich, wir sitzen zwei Sonntag Nachmittage und schneiden Wörter und Bilder aus Zeitschriften für unser Dreamboard. Eigentlich ein Album und ein Heft, keine Tafeln. Einkleben. Fertig. Jetzt wissen wir, wovon wir träumen.