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Die Mühlviertel-Waldviertel Galerie MÜWA: eine Wolke aus Farben und Licht1

VIER SCHAUFENSTER, DIE SPRECHEN

Die Schaufenster sprechen mit dem Dorf. Alle paar Wochen sagen sie etwas Neues. Oft ohne Worte. Mehr ...

KÜNSTLERiNNEN
Künstlerinnen und Künstler, die in der MÜWA Galerie ausstellten oder lasen, wurden danach wie Leopold Strobl angekauft vom Museum of Modern Art in New York,. Gertraud Klemm gewann beim Bachmannpreis in Klagenfurt. Vorher hatte sie in der Mühlviertel-Waldviertel Galerie MÜWA schon gelesen. Die iranische Malerin Shahmoradi-Strohmaier war im Weltmuseum Wien ausgestellt. Gudrun Seidenauers letzter Roman, aus dem sie las, war Ö1-Buch des Monats.

Künstlerinnen und Künstler aus St.Georgen und der Umgebung, sowie aus der Ferne – das Weiteste war die Malerin Narantsogt Zultsetseg aus der Mongolei – zu vernetzen, kristallisierte sich nach und nach von selbst heraus. So viele mongolische Besucher wie bei dieser Ausstellung hatte St.Georgen noch nie gesehen. Flüchtlinge aus Afghanistan, die im Flüchtlingshaus in St.Georgen untergebracht waren und zur Ausstellung kamen und der Ehemann der Malerin fanden in der Galerie heraus, dass sie beide der ethnischen Gruppe der Hazara angehörten und eigentlich weitschichtige Verwandte waren.

SOMMERSCHREIBTAGE

Vom 1.-5. August finden seit mehreren Jahren Schreibtage statt. Es gibt kein gut oder schlecht. Schreiben fühlt sich an, als liefen wir im Pyjama herum. Geschrieben wird mit Impulsen wie eine Waldwiese, ein Moorteich, ein Musikstück, ein Satz, ein Bild. Jedes Jahr entsteht eine Geschichtensammlung: oft sind es bewegte Blicke von außen auf das Dorf. Eine Teilnehmerin sagte, sie hätte so Kraft bekommen, dass sie danach kündigte und sofort eine bessere Arbeit fand.

LESUNGEN

Die Zusammenarbeit der Mühlviertel-Waldviertel Galerie MÜWA mit der Bücherei St.Georgen am Walde

St. Georgen am Walde hatte einen berühmten Schriftsteller als Zweitwohnsitz-Bewohner: Alexander Sacher-Masoch2, Mitbegründer des österreichischen PEN-Clubs und dessen erster Generalsekretär3 nach 1945.4 hatte seinen Zweitwohnsitz in St.Georgen am Walde. Er schrieb und wohnte jahrzehntelang am Bauernhof Großreitner. Seine Frau Milica und er brachten Menschen ins Dorf, die für die österreichische Literatur von großer Bedeutung waren: so wie Franz Theodor Czokor5, ein österreichischer Schriftsteller und Dramatiker. Er gilt als einer der bedeutendsten Dramatiker des Expressionismus in Österreich. Sie brachten Nada und Aron Cohen aus der Wolfsonstraße 3 am Mount Carmel in Haifa nach St. Georgen. Sie, die Jüdin, war im Zweiten Weltkrieg zuständig für Morsemitteilungen der Partisanen, die gegen die Nationalsozialisten kämpften. Sie öffnete mehrere Leute im Dorf für alles Jüdische. Nach seinem Tod stiftete Milica, seine Witwe 1994 zu seinem Andenken einen Literaturpreis, den nach ihm benannten Alexander-Sacher-Masoch-Preis, der NachwuchsliteratInnen zugute kommt.

Ich weiß von einem roten Buch, das von einem Mann aus St. Georgen geschrieben wurde und leider verschollen ist. Ich weiß von einer prämierten und auf Radio Oberösterreich ausgestrahlten Kurzgeschichte, verfasst von einem jungen St. Georgener. Ich weiß, dass einige im Dorf schreiben und geschrieben haben, ohne damit bisher an die Öffentlichkeit gegangen zu sein. Schachenhofer Wolfgang forscht und schreibt seit Jahrzehnten an einer Chronik. Er ist ein lebendes Lexikon. Eine Zeitlang stand vor der Bücherei eine Kiste mit Büchern zur Entnahme. Irgendwann war sie leider weg.

Die Bücherei ist ein Zauberort. Sie ist für mich das, was in einer Gemeinschaft weit über das Verwertbare und den Kommerz hinausgeht. Die Bücherei ist Reisebüro für Reisen ins Unbekannte. Ein Drehkreuz von Geschichten, die uns alle in Stille ganz intim lauschen lassen. Getragen wird sie seit vielen Jahren von der Lebensenergie von um die 15 Freiwilligen, die diesem Ort dienen, die die Tagesgeschäfte aufrecht erhalten, sich um Ankauf und Verleih kümmern. Die Bürgermeister waren und sind aufgeschlossene Menschen, die die Bücherei zusammen mit Land und Bund mittrugen und unterstützen.

Seit 2013 gibt es eine Kooperation zwischen Bücherei, der größten österreichischen Literatenvereinigung - der Grazer Autorinnen und Autorenversammlung - und der Mühlviertel- Waldviertel Galerie MÜWA. Diese Zusammenarbeit führte einige Größen und etwas weniger bekannte Schreibende der österreichischen Literaturszene nach St. Georgen, zum Auftakt sogar mit der großen Trommelgruppe des Ortes: 2013: Gertraud Klemm, die danach erst den Ingeborg Bachmann Publikumspreis erhielt und Susanne Lederer.
Wer ab 2014 zum Lesen ins Dorf kam, kann man auf der Liste nachlesen.


 1 Die Idee, die Räume des früheren SPAR-Geschäftes als Galerie zu adaptieren, stammt von meinem Bruder Senso, Rudolf Sengstbratl (Maler 1959-2013), der vor der Realisierung unerwartet starb. Ohne ihn gäbe es keine MÜWA-Galerie. Umgesetzt wurde die Idee von mir und unserem Vater. Seit das Haus in den Besitz meiner Schwester Helene Sengstbratl überging, trug diese das Projekt mit. Eröffnung: April 2013. Verantwortlich für die Inhalte: Gerda Sengstbratl. Kooperationen: Bücherei St.Georgen und Grazer AutorInnenversammlung, Kulturamt OÖ (Tage des Offenen Ateliers).
Adresse: MÜWA MÜHLVIERTEL-WALDVIERTEL GALERIE Markt 10, 4372 St.Georgen am Walde

2 Er war ausgebildeter Chemiker, betätigte sich in der Zwischenkriegszeit schriftstellerisch und engagierte sich politisch links. 1938–40 war er als Emigrant journalistisch in Belgrad tätig, 1940–43 lebte er, zum Teil interniert, auf der Insel Korčula. Nach Kriegsende gründete er mit seinem Freund Franz Theodor Csokor P.E.N.-Österreich.

3 Der heutige P.E.N.-Präsident Dr. Helmuth A. Niederle, Afrika-Experte, hielt in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur 2010 die Einführungsrede zu meiner Afrika-Publikation Einer ist hier schon verrückt geworden.

4 1946–47 war er der erste Chefredakteur der von der KPÖ herausgegebenen Kulturzeitschrift Österreichisches Tagebuch (später Wiener Tagebuch). Seine Werke befassen sich häufig kritisch mit den letzten Jahrzehnten der Donaumonarchie und anderen zeitgeschichtlichen Themen.

5 Franz Theodor Csokor wurde vom Staat ehrenhalber der Titel „Professor“ verliehen. Seit 1970 verleiht das österreichische P.E.N.-Zentrum den nach ihm benannten Franz-Theodor-Csokor-Preis. 1975 wurde im Bezirksteil Kaiserebersdorf des 11. Wiener Gemeindebezirks die Csokorgasse nach ihm benannt. 1994 gab die Österreichische Post eine Sonderbriefmarke zu seinen Ehren heraus. Ehrungen1937 Goldener Lorbeer der Warschauer Literaturakademie1937 Goldenes Verdienstkreuz der Polnischen Republik1937 Burgtheater-Ring1938 Grillparzer-Preis 1953 Literaturpreis der Stadt Wien 1954 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung 1955 Ehrenring der Stadt Wien 1955 Großer Österreichischer Staatspreis für Literatur1960 Goldene Feder 1961 Ehrenmitglied des Presseclubs Concordia 1965 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst